Magdeburg im Mittelalter – ein staunender Rückblick

Hat sich der „Magdeburger“ über Jahrhunderte verändert? Konnten harte Strafen ihn so abschrecken, dass tatsächlich die unter Strafe gestellten Taten nicht mehr begangen wurden?

Schauen wir einmal in das „Ehe-Strafrecht“ des 16. Jahrhunderts am Beispiel der Stadt Magdeburg und bilden uns selbst ein Urteil. Also – es war einmal…

…der Rat von Magdeburg, der im Jahre 1544 eine Verordnung gegen das Auftreten der Stadtbürger hinsichtlich des „Ehebruchs sowie des übermäßigen Aufwandes bei Hochzeiten und Verlöbnissen“ erlassen hatte. Diese enthielt zugleich eine strenge, detaillierte Kleiderordnung. Warum? Unsere Stadtväter sahen sich veranlasst, „ …..dem wieder eingerissenen, großen Luxus und zugleich der immer mehr um sich greifenden Unsittlichkeit“ mit neuen, scharfen Regeln entgegenzutreten.

Interessant daran dürften aus heutiger Sicht die harten Strafen bei verschiedenen Verfehlungen sein. Beginnen wir mit den, in „Des Rades der Oldenstadt Ordenunge“ enthaltenen Folgen auf verschiedene Formen der ehelichen Untreue:

Wurde ein Mann oder eine Frau (oder natürlich beide) eines Ehebruchs nur beschuldigt (es war noch kein Schuldnachweis erforderlich!), so wurde das mit einer Geldbuße von 5 Mark geahndet. Falls die Summe nicht gezahlt werden konnte, mussten er oder sie die Stadt so lange verlassen werden, bis das Geld eingezahlt werden konnte (zeitweilige Aussperrung). Wurde eine Person zum zweiten Mal (quasi „Wiederholungstäter“) des genannten Vergehens beschuldigt und wollte diese einen Reinigungseid (reuevolles Nachtatverhalten mit Schuldanerkenntnis) nicht ablegen, so sah die Verordnung vor, sie für 14 Tage „in den Turm zu setzen“. Mit Ausnahme des eigenen Ehegatten (falls dieser überhaupt noch wollte), der Kinder und des Gesindes durfte niemand ohne „obrigkeitliche Erlaubnis“ Besuch abstatten. Nach Ablauf der Arrestzeit mussten dann noch 10 Mark an den Rat gezahlt werden, wofür blieb unklar – daran hat sich auch heute nichts geändert…

Beim dritten Mal (Serientäter!) erhöhte sich die Strafe auf 20 Mark und war mit einer Ausweisung aus der Stadt für die Dauer von einem Jahr verbunden. Damals gab es noch hohe Stadtmauern und ein kontrolliertes Zugangstor zur Stadt – da kam niemand durch, der nicht durfte. Heute fährt man „unkontrolliert“ von der A2 kommend auf der Tangente am Ortseingangsschild in die Stadt hinein… …und wird schon dabei „kontrolliert geblitzt“ und mit einem Bußgeld belegt.

Konnte das Straf- oder Bußgeld zur damaligen Zeit nicht beigetrieben werden, drohte dem säumigen Zahler dafür die zeitweilige Verbannung aus der Stadt oder bei erneuter „schlechter Zahlungsmoral“ der Arrest im Turm.  Eine nicht uninteressante Regelung – wie würde das heutzutage aussehen? Gäbe es einen entsprechend großen Turm, oder ein ähnliches „Arresthaus“ (vielleicht eine nun leer stehende Schule oder die leere JVA auf der Halber) ?

In „Des Rades der Oldenstadt Ordenunge“ war ebenfalls geregelt, daß der oder die Beschuldigte die eigene Unschuld beweisen konnte. In diesem Fall sollte „ihm dazu ein Termin bestimmt und Zeugen … verhört werden“. Leider ist nicht überliefert, ob und wie das jemals praktiziert wurde. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie der Beschuldigte hätte beweisen können, dass er die eheliche Treue gerade nicht gebrochen hatte. Welche Zeugen hätten dazu etwas aussagen können (außer die „Beteiligten“ selbst) ? Da war wohl eine gewisse Beweisnot schier unüberwindbar.

Übrigens: Unabhängig vom Geschlecht wurden die Taten verfolgt und auch bestraft.

Dennoch waren die „Spätfolgen“ (Nebenstrafen) verschieden: Ein Mann konnte nicht mehr in den Rat gewählt oder zu einem „ehrlichen Amte“ (welches auch immer) zugelassen werden. Eine Frau durfte sich weder mit Gold und Edelsteinen schmücken, noch in der Öffentlichkeit zeigen. Entscheiden Sie selbst, liebe Leser, ob nun der untreue Gatte, oder das ehebrecherische Weib härter bestraft waren.

Wie wurde mun mit Bürgern verfahren, die „in flagranti“ bei einem Ehebruch ertappt wurden oder deren Schuld damit wohl erwiesen war?

Bekannte sich der Täter für schuldig, so wurde er gleich für zwei Jahre aus der Stadt verwiesen. Der andere Ehepartner konnte sich dann durch eine rechtmäßige Scheidung trennen, falls nicht die Absicht zur Versöhnung bestand.

Der Bestrafte konnte nach Ablauf der zwei Jahre wieder in unsere Stadt zurückkehren, musste  aber zuvor dem Rate eine Gebühr von zehn Mark entrichten. Wurde dieser Täter dann erneut bei einer derartigen Handlung „gestellt“, verbannte man ihn für ewig aus den Mauern der Stadt und beförderte ihn, falls er sich dennoch in Magdeburg antreffen ließ, ohne Gnade mit dem Schwerte „vom Leben zum Tode“!

Aus den Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg (herausgegeben vom Vorstand des Magdeburger Geschichtsvereins) des Jahres 1887 sind einige Fälle aus dem 16. Jahrhundert überliefert worden, die die Härte in der damaligen Rechtssprechung zeigen.

So hatte sich Hans Hardegen, ein bis dato Unbescholtener, der im Stande der Ehe lebte, im Jahr 1594 „… mit dem Eheweibe Matthias Schleppweizens dahingehend verglichen, miteinander davonzulaufen und ihre Ehegatten zu verlassen, darauf auch weggezogen, als Ehegatten auswärts sich zu verhalten, und also im Ehebruch gelebt, inmaßen sie auch von ihm geschwängert worden“. Man legte fest, daß der Angeklagte Hans Hardegen, falls er in einem einberaumten Halsgericht die Beschuldigungen bestätigen würde, mit dem Schwerte vom Leben zum Tode zu strafen sei. Da das Urteil an einem Montag im Jahre 1594 vollzogen wurde, ist anzunehmen, dass Hans Hardegen zu seinem sträflichen Verhalten stand und sich – sodann kopflos – zur Liebe zum Eheweibe von Matthias Schleppweizen bekannt hatte.

Aus einer Schrift Jakob Uhlemanns („Palaestra consultationum iuris illustrium“ – 1630) erfahren wir einen ähnlich gelagerten Fall.

Kersten Köppe, ein verheirateter Bürger und die Ehefrau von Martin Hennemann wurden wegen mehrmaligen Ehebruchs und der „Oberhurerei“ angeklagt. Die „Schöppen zu Magdeburg“ äußerten sich hierzu folgendermaßen:

„Wenn sich beide darum im peinlichen Halsgericht, peinlich angeklagt, und sich dazu öffentlich bekennen und darauf verharren werden, so sind sie mit dem Schwerte zu bestrafen und von Rechtes wegen“.

Auch in diesem Fall wurde das Urteil gesprochen und die Hand des Henkers führte gnadenlos das scharfe Schwert – von Rechts wegen, also „Im Namen des Volkes“.

Verständlich, das diese Beispiele unsere Vorfahren damals zur Einhaltung der ehelichen Treue mahnten, mindestens zur besonderen Vorsicht – aber gelassen haben sie es wohl auch nicht…

Und was lernen wir daraus? Es hat sich kaum etwas verändert. Weder damals, noch heute, den Kopf will so schnell keiner verlieren – oder?