In 5 Minuten sollte also Frau Stubenrein, die Eigentümerin des Wohnhauses, in dem Otto seit 26 Jahren seine Junggesellenwohnung mit ungetrübtem Blick auf den Dom bewohnt, erscheinen, um seine neu installierten Rauchmelder zu besichtigen. So zumindest hatte sie am Telefon mit liebevoller Schwafelei Ihr Anliegen an sein Ohr herangetragen und die Verabredung getroffen. Na schön – soll sie halt, dachte sich Otto – und darüber hinaus nichts weiter…
Klingeling – da war sie schon vor der Tür und huschte nach dem Öffnen jener unvermittelt an Ottos Astralkörper vorbei, um die angekündigte Inspizierung der neu installierten Brand- und Rauch-Warngerätschaften seiner Behausung zur Vollziehung zu bringen. „Ahja – da sind sie ja, fein, fein!“ gluckste es aus Stubenreins Vermietermund heraus… „Jaja“, erwiderte Otto kommunikativ unwertvoll, jedoch sozial adäquat und erbat sich justament von seiner Vermieterin, dass sich diese „…. nun, nach seinem angestrengten Arbeitstage entfernen solle, um ihm seinen täglichen, innere Ruhe verschaffenden Domblick allein zu ermöglichen.“ Schließlich hatte sie sich „die neuen Dinger an der Decke ja angesehen“. Doch eh er sich´s versah, begann Stubenrein durch alle Räume seiner Wohneinheit zu flitzen, um sich „einen Überblick über ihr Eigentum zu verschaffen“, wie sie lautstark von sich gab. Sie verschob hier und da ein paar Möbelstücke, riss die Fenster auf, zuppelte an seiner Gardine herum, wischte mit einem Finger staubprüfend über Fensterbänke, Türrahmen und Fußbodenleisten und erging sich in harscher Kritik ob Ottos „unmöglicher Wohnungseinrichtung“, seines „unausgereiften Männergeschmacks“ und „sauhaufenartiger Unreinlichkeit“. Da platzte Otto der Mieterkragen, woraufhin er die „Sauberfrau“ einfach an den Oberarmen packte, emporhob und unvermittelt über die Schwelle seiner Eingangstür trug, um sie, nunmehr kreischend und mit den Beinchen strampelnd, sodann auf dem Hausflure abzustellen, quasi „aushäusig zu entsorgen“. Rumms – und die Tür war zu… Otto fand nach einigen Stunden beim Blick auf sein geliebtes Bauwerk im gotischen Stile seine innere Ruhe wieder, deren Dauer allerdings nicht von Nachhaltigkeit geprägt war – nur 3 Tage währte…
Herr Hermes, Mitarbeiter der Deutschen Post übergab ihm nämlich nun, genau an der Schwelle, die vor 3 Tagen Madame Stubenrein einmalig überschritten hatte, nun ein Schreiben höchstpersönlich, für das Otto sogar quittieren musste. Er hielt die Kündigung in den Händen. Sein geliebtes Domizil sollte er verlieren, es unvermittelt besenrein beräumen „mit sofortiger Wirkung außerordentlich und fristlos“, schrieb die Anwaltskanzlei „Hotzenplotz und Partner“, da er „ … unangemessen und mit roher Gewalt, mithin rechtswidrig und sittenlos, nötigend und ehrverletzend, noch dazu gesundheitsschädigend und unbillig, ja gar mit äußerster Brutalität und Strafe fordernd, sowie schmerzensgeldverdächtig gegen das berichtigte Interesse der ach so armen Vermieterin, die sich lediglich vom ordnungsgemäßen Zustand ihres Eigentums überzeugen wollte“, vorgegangen war.
Zu Recht?
Gegen Otto wurde Räumungsklage erhoben, aber das Amtsgericht gab ihm Recht und so verlor Frau „Saubermann“ in der ersten Instanz. Dagegen wurde Berufung eingelegt und das Landgericht sah die Sache anders, verurteilte Otto tatsächlich zum Auszug… Und weiter ging es – bis hin zum Bundesgerichtshof. Der war der Auffassung, dass die Vermieterin keinen Grund zur Kündigung hatte (BGH, Urt. v. 04.06.2014, Az. VIII ZR 289/13). Sie hatte nämlich entgegen der vorherigen Ankündigung und Absprache eine weitergehende Besichtigung der Wohnräume durchführen wollen, wozu sie nicht berechtigt war.
Mit dem Versuch, die ganze Wohnung trotzdem und vor allem gegen Ottos Willen zu inspizieren, hatte sie sein Hausrecht verletzt. An dem Vorfall trägt sie daher zumindest eine große Mitschuld.
Selbst wenn Otto, als er die Vermieterin kurzerhand vor die Tür trug, die Grenzen der Notwehr geringfügig überschritten haben sollte, wäre das nach Ansicht der Karlsruher Richter keine so gravierende Pflichtverletzung, die es für die Vermieterin unzumutbar gemacht hätte, das Mietverhältnis fortzusetzen. Nicht einmal ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses billigten die Richter der Vermieterin zu, obwohl sich diese durch Ottos Verhalten zutiefst erschrocken und dann auch noch gedemütigt gefühlt hatte. Recht so!
Der vom BGH entschiedene Fall ist allerdings eher als Ausnahme zu betrachten.
Hier ein paar andere Urteile, die das belegen:
Das AG München (Urt. v. 07.02.2013, Az. 411 25348/12) entschied z.B., dass die Beschimpfung des Hauswartes als „Verbrecher, Spitzel und Lügner“ einen Kündigungsgrund darstellen kann.
Auch das LG Halle (Urt. v. 08.06.2011, Az.: 2 S 277/10) hat für die Mieterbehauptung, Mitarbeiter des Vermieters kämen aus dem Rotlichtmilieu, diese Auffassung vertreten. Gewalttätigkeiten gegen Vermieter oder andere Mieter führen ebenfalls regelmäßig zu einer wirksamen Kündigung (so z.B. LG Berlin, Urt. v. 26.06.2008, Az. 67 S 337/07 für fünf Faustschläge).
Und die Moral von der Geschicht?
Huscht jemand ungewollt ins Haus, expedier ihn höflich raus.
Folgt er Deinem Wunsche nicht – mach ihm ruhig „am Rade Licht“.
Auch der BGH sieht´s so – Recht so!